Die Entzauberung des biologischen Informationssystems – kein dauerhafter Beitrag zur Energietechnik
Geschichte der Energietechnik (6) – Die Entdeckung der Nanowelten ermöglicht eine erneuerbare Energieversorgung für Alle
Die vorangehenden Folgen dieser 12-teiligen Serie beschäftigten sich zunächst mit dem bahnbrechenden Vordringen der Wissenschaft in die Welt der Atome am Anfang des letzten Jahrhunderts, der daraus resultierenden Entdeckung der Kernspaltung und der sich anschließenden Geschichte ihrer friedlichen Nutzung in Atomkraftwerken. Dann wurde gezeigt, wie neue Methoden zur Erkundung des atomaren Nano-Kosmos zunächst die Materialwissenschaften revolutionierten und damit die Mikroelektronik und die Digitalisierung ermöglichten, was nicht nur für Informationsverarbeitung und Kommunikation, sondern auch für die Energietechnik weitreichende Folgen hat. In diesem Beitrag geht es um die Folgen der nanowissenschaftlichen Revolution in der Biologie, die allerdings energietechnisch kaum nutzbar sind.
Bevor ich auf die Geschichte der energetischen Nutzung von Biomasse eingehe, die heute ebenfalls weitgehend als überholte, schädliche Technologie angesehen werden muss, möchte ich kurz zeigen, wie tiefgreifend die Nanowissenschaften mit neuartigen biotechnologischen Methoden die Biologie, die Medizin, die Nahrungsmittelverarbeitung und die Chemieindustrie verändert haben.
Die Entdeckung des biologischen Informationssystems und ihre Nutzung für die Medizin
Im Jahr 1953, ein Jahr nach der ersten Stromproduktion mit Kernenergie, entschlüsselten Watson und Crick die grundlegende Struktur der DNA-Moleküle, in denen das Erbgut von Lebewesen gespeichert ist. 1990 wurde begonnen, systematisch mit automatischen Analysemaschinen den aus 6 Millionen „Basenpaaren“ bestehenden Code des menschlichen Erbguts zu entschlüsseln. Er ist in einem Alphabet aus nur vier „Basen“ geschrieben. 2001 lagen die wesentlichen Teile vor, erst 2022 der komplette Code. Doch welche Rollen der Code in der komplexen Kommunikation innerhalb und zwischen Lebewesen spielt, und was er in verschiedenen Zusammenhängen bedeutet, das verstehen wir erst ganz punktuell.
Heute schätzt man, dass 1918/19 weltweit 20 bis 100 MillionenMenschen an der Spanischen Grippe starben, weit mehr als im gerade zu Ende gegangenen ersten Weltkrieg. In den damaligen Wirren und Nöten war man sich dessen nicht sofort bewusst und man konnte auch nicht viel dagegen tun. Ohne die schnelle Entwicklung von mRNA-Impfstoffen hätten wir 2020/21 wohl Ähnliches erlebt. Dank der neuen Methoden zur Untersuchung von Molekülstrukturen konnten nach dem zweiten Weltkrieg die biologischen Informationssysteme zur Vererbung und zur Immunabwehr nach und nach teilweise entschlüsselt werden. So war es nun möglich, innerhalb weniger Monate das Virus im Detail zu analysieren, einen entsprechenden biologischen Warncode für die Immunabwehr zu entwickeln und ihn Milliarden von Menschen zu verabreichen, indem synthetische Botenstoffe in Nanokapselndenjenigen injiziert wurden, die die Hilfe annahmen.
Nicht nur mit der Gentechnik und in der Immunologie hat das Vordringen in den Nanokosmos seit dem zweiten Weltkrieg in Biologie und Medizin ganz neue Dimensionen eröffnet. Auch die gesamte Biochemie, die Analyse von Prozessen in Geweben und Membranen, die medizinische Analyse- und Operationstechnik bis hin zum 3D-Druck von Geweben haben von den neuen Nanowissenschaften profitiert.
Insgesamt können wir hier feststellen, dass bei alledem die Bedeutung des Aspekts der Information gewaltig an Bedeutung zugenommen hat, und dass durch das Entdecken von Prozessen auf der Nanoebene viele bis dahin rätselhafte makroskopische Vorgänge der Biologie verständlicher wurden – wohl stärker als in der unbelebten Welt.
Nanowissenschaften potenzieren die Möglichkeiten zur Herstellung hochwertiger biologischer Produkte
Für die Versorgung mit Nahrungsmitteln und chemischen Grundstoffen haben die Fortschritte in der Molekular- und Mikrobiologie und darauf aufbauend in der Biotechnologie und der Agrartechnologie riesige Auswirkungen gehabt. Ohnedem ließen sich acht Milliarden Menschen kaum ernähren. Doch zeigten sich hier auch erhebliche Risiken: mit Eingriffen in elementare Mechanismen des Lebens können komplexe ökologische Zusammenhänge destabilisiert werden, die wir noch längst nicht durchschauen. Angesichts der komplexen Dynamik des vielfältigen Lebens auf der Erde ist behutsames Vortasten notwendig. Grobe gentechnische Eingriffe in unverstandene Zusammenhänge haben die in sie gesetzten wirtschaftlichen Hoffnung nicht erfüllt.
Aber ein besseres Verständnis des Zusammenspiels von biochemischen Prozessen und genetischen Informationen konnte bei Bakterien, Pflanzen und Tieren noch weitreichender genutzt werden als, wie oben erwähnt, beim Menschen: für Krankheitsvermeidung, optimierte Stoffwechselprozesse und Ernährung, und dann auch für die optimierte Nutzung, Verarbeitung und Transformation biologischer Produkte in komplexen biotechnologischen Prozessen…
Biotechnologische Methoden wurden bereits vor Jahrtausenden entwickelt, z. B. die für Herstellung von Wein und Bier mit Hefen, oder die Verarbeitung von Milch zu Käse oder Joghurt mit zufällig gefundenen und dann sorgfältig weiter gezüchteten Mikroorganismen. Die neuen Erkenntnisse mithilfe der Nanowissenschaften haben diese Ansätze nicht nur auf eine wissenschaftliche Grundlage gestellt und effizienter gemacht, sondern auch dramatisch erweitert. Nicht nur die Nahrungsmittelindustrie und viele Verfahren im Lebensmittelhandwerk, sondern auch weite Teile der chemischen Industrie sind heute ohne die Errungenschaften der Biotechnologie kaum mehr denkbar. Bioreaktoren, in denen Mikroorganismen und Enzyme chemische Umwandlungen bewirken, werden heute in vielfältigen Produktionsprozessen eingesetzt. Dabei ist es in vielen Fällen gelungen, den Energieeinsatz für die Produktion drastisch zu senken.
Doch die Versorgung der Menschen mit hochwertigen biologischen Produkten und Informationen, mit Nahrungsmitteln und Medizin ist in dieser Serie zur Rolle der Atomenergie in der Technikgeschichte nicht das zentrale Thema - auch wenn es sich dabei ebenfalls um das Verhältnis von (hochkomplexer) Materie, Energie und Information dreht.
Photosynthese ist zu ineffizient für die technische Energieversorgung
Bei der klassischen, physikalisch-technischen Energieversorgung, für die auch die friedliche Nutzung der Kernenergie konzipiert wurde, geht es um die Bereitstellung von Wärme, Bewegungsenergie, und dann auch von Elektrizität seit entsprechende Geräte zur Verfügung stehen. Historisch waren Menschen auch für diese „äußere“, technische Energieversorgung weitgehend auf biologische Quellen angewiesen: mechanische Energie lieferten vielfach Ochsen, Pferde und Esel, Wärme wurde durch das Verbrennen von Biomasse erzeugt. Die Züchtung optimierter Tiere für die Gewinnung mechanischer Energie hat man schon lange aufgegeben. Auf die effiziente Gewinnung von Wärme aus Biomasse, und daraus die Gewinnung mechanischer Energie und Strom, hoffen viele immer noch – vergeblich.
Für die Energieversorgung mit Wärme, Strom und mechanischem Antrieb allerdings hat die Revolution in der Biologie bislang nur sehr begrenzte Auswirkungen gehabt. Alle Versuche, aus biologischen Rohstoffen makro-technisch nutzbare Energie zu erzeugen, haben sich anderen Ansätzen gegenüber bislang als unterlegen erwiesen. Die Photosynthese der Pflanzen, setzt praktisch nur etwa ein bis zwei Prozent der einfallenden Solarstrahlung in chemische Energie um. Theoretisch liegt das Maximum bei 11,6%. Mit genetisch modifizierten Algen hofft man bis zu 20% zu erreichen. In der Wertschöpfungskette bis zum technisch nutzbaren Brennstoff kommen dann noch weitere Verluste dazu. Bei der Umsetzung in Elektrizität würde dann noch einmal die Hälfte verloren gehen. Demgegenüber können heutige, kostengünstige Photovoltaik-Module 18 bis 24% des Sonnenlichts direkt in Elektrizität umsetzen.
Milliarden von Subventionsgeldern wurden für Entwicklung und Produktion von Biokraftstoffen ausgegeben. Seit 2020 müssen in der EU dem Benzin und Diesel 10 Prozent Biokraftstoffe beigemischt werden. In den USA muss Benzin 10% bis 15% Bio-Ethanol enthalten. Für diese Mengen werden in großem Maßstab Energiepflanzen auf Flächen angebaut, die auch für Nahrungsmittelanbau geeignet sind. Als kürzlich die indische Regierung eine Vorschrift zur Beimischung von 20% Ethanol in Benzin erlassen wollte, rechnete ein renommiertes Institut vor, dass für die Strecke, die ein Elektroauto mit dem Strom aus einem Hektar Photovoltaik fahren kann, ein gleich großes Verbrenner-Auto, das mit Ethanol angetrieben wird, 187 Hektar Anbaufläche Mais oder 251 Hektar Anbaufläche Zuckerrohr braucht. Da multiplizieren sich die Verluste in den aufeinanderfolgenden Transformationsstufen. Bioethanol für normale Autos ist eine gigantische Verschwendung von Flächen und Ressourcen.
Der Anteil der USA am weltweiten Verbrauch flüssiger Treibstoffe beträgt gut 20%. Um alle Autos weltweit vollständig mit PV-Strom zu betreiben, würde daher ein Viertel der Fläche ausreichen, auf der heute allein für die US-Autos eine 10%-Beimischung Bioethanol produziert wird.
In der EU wird dreimal mehr Biodiesel als Bioethanol verbraucht. In beiden Fällen werden gut 14% davon fertig importiert. Vor allem aber stammt beim in der EU produzierten Biodiesel mehr als die Hälfte der landwirtschaftlichen Vorprodukte aus Importen. Allein für ein Fünftel der europäischen Bioethanol-Produktion, bzw. 4,9% der EU-Biofuel-Produktion, werden täglich 10‘000 Tonnen Weizen verbraucht – das entspricht dem Brotkonsum von 60 Millionen Durchschnitts-Europäern. Rechnerisch ließe sich mit den für die EU-Biofuel-Beimischung verbrauchten landwirtschaftlichen Produkten der halbe Kalorienbedarf der europäischen Bevölkerung decken.
Auch Biokraftstoffe sind eine überholte Technik
Biofuels gab es schon seit der Erfindung des Verbrennungsmotors. Ford sah nach umfänglichen Experimenten zeitweilig in Ethanol den Treibstoff der Zukunft. Doch dann dominierte billiges Erdöl das Treibstoffgeschäft. In Brasilien wurde Ethanol aus Zuckerrohr schon seit den 1920er Jahren dem Benzin beigemischt. In den Kriegsjahren war zeitweise eine Beimischung von 50% vorgeschrieben. Auf der anderen Seite der Front wurden in zweiten Weltkrieg auch in Deutschland Technologien zur Erzeugung von Treibstoffen aus Biomasse entwickelt. Nach dem Krieg dominierte wieder das Erdöl. Unter dem Eindruck der Ölkrise und dann auch der Klimadiskussion wuchs das Interesse an Biofuels. Brasilien hat seit Mitte der 1970er seine Produktionsmethoden verbessert und ständig ausgeweitet. Unter anderem mit modernsten biotechnologischen Methoden konnte der Hektarertrag von 1975 bis 2004 auf das Dreifache (von 2024 auf 5917 Liter Ethanol/ ha) gesteigert werden. 2008 lieferte Ethanol in Brasilien mehr als die Hälfte aller Treibstoffe im Verkehr.
Verglichen mit anderen Biokraftstoffen ist brasilianisches Zuckerrohr-Ethanol hocheffizient: die Photosynthese erreicht mit 2% einen der höchsten Effizienz-Werte im Pflanzenreich, ein Drittel der gewonnenen Energie steckt im Zucker und die industrielle Zuckerrohr-Verwertung ist ein hochintegrierter Prozess, bei dem die Abfälle zur Stromproduktion verwendet werden. Die Energiebilanz (Energieertrag geteilt durch die in den Prozess investierte Energie) ist mit bis zu 10 wesentlich besser als bei der Gewinnung von Ethanol aus Mais in den USA, die nur wenig mehr Energie liefert, als an (oft fossiler) Energie hineingesteckt wird.
Wegen der negativen Effekte der Landnutzung, auf die man erst nach und nach aufmerksam wurde, sieht die CO2-Bilanz wesentlich schlechter aus als die Energiebilanz. Laut einer Studie der englischen Regierung von 2008 liegt der CO2-Ausstoß von Ethanol aus amerikanischem Mais oder ukrainischem Weizen ganz wesentlich über dem von Benzin oder Diesel.
Nach der Jahrtausendwende galten Biokraftstoffe und Biogas vielfach noch als ökologisch wünschenswerte Alternative. Obwohl die Zweifel wuchsen, wurde massiv in eine Produktion in industriellem Maßstab investiert. Dabei war schon damals absehbar, dass die ökologisch vorteilhaftere Photovoltaik auch ökonomisch aufholte. Die subventionierten Abgabepreise der Ethanol-Hersteller sanken in Brasilien von 1980 bis 2004 im Durchschnitt jährlich um 5%, erst schneller, dann langsamer. Ab 2004 konnte Ethanol mit Benzin konkurrieren. Inzwischen sind die Kostensenkungspotentiale der mechanischen und chemischen Bearbeitung riesiger Flächen und Materialmengen weitgehend ausgereizt. Die tatsächlichen Produktionskosten von Biofuels sind schwer zu ermitteln, da diese in einem Umfeld erzeugt werden, das von vielfältigen Subventionen, politischen Rahmensetzungen und stark schwankenden Kosten fossiler Treibstoffe geprägt ist. 2013 kam eine Studie zum Ergebnis, dass Biokraftstoffe nicht nur klimapolitisch fragwürdig, sondern auch volkswirtschaftlich schädlich sind: 2011 betrugen die Subventionen für Biokraftstoffe in der EU mehr als die Hälfte des Umsatzes der Branche und waren höher als die Investitionen in Produktionsanlagen von 2004 bis 2011.
Seit der Jahrtausendwende sind die Kosten von Photovoltaik und Stromspeichern dramatisch gesunken und sinken weiter. Wie wir in den nächsten Folgen dieses Blogs in Einzelnen sehen werden, ermöglichen sie damit nicht nur eine wesentlich energie-effizientere Nutzung von Flächen als Biotreibstoff, sondern sind zur günstigsten Art der Stromerzeugung geworden. Mit der Verfügbarkeit von konkurrenzfähigen Elektrofahrzeugen sind damit auch die Biokraftstoffe – außer in Nischenbereichen – sowohl aus ökologischer als auch aus ökonomischer Perspektive eine überholte, schädliche Technologie.
Dasselbe gilt auch für Biogas, das nach der Jahrtausendwende durch Subventionen insbesondere in Deutschland einen Boom erfuhr, bis man einsah, dass der gezielte Anbau von Biomasse für die Gaserzeugung problematisch ist. Auch der massenhafte Ersatz von Kohle in englischen Kohlekraftwerken durch Holzhackschnitzel aus Amerika nützt mehr der Kosmetik der nationalen Klimabilanz als dem Weltklima oder der Volkswirtschaft.
Nur ohnehin als Reststoff anfallende Biomasse sollte für Energiezwecke verbraucht werden. Und auch da stellt sich die Frage, ob nicht zunächst eine stoffliche Verwertung sinnvoller wäre. Denn die chemische Industrie braucht heute fossile Rohstoffe auch für die Herstellung von Kunststoffen, die nach Gebrauch meist verbrannt werden. Die Umstellung der Flugindustrie auf Biofuels, von denen riesige Mengen gebraucht würden, kann daher auch keine Lösung sein. Gebrauchtes Bratfett wird da nicht reichen.
Die moderne Geschichte der energietechnischen Nutzung von Biomasse ist ein trauriges Beispiel dafür, wie viel ökologischer und ökonomischer Schaden durch eine falsch verstandene, nostalgische Sehnsucht nach Naturnähe im Bündnis mit einer rücksichtslosen (Agrar- und Chemie-) Lobby angerichtet werden kann, wenn die politischen Entscheidungsträger nicht langfristig zu denken wagen und nicht bereit sind, zu rechnen.