Die Klimakrise stellt die industrielle Zivilisation in Frage: Welche Optionen haben wir?
Geschichte der Energietechnik (9) – Die Entdeckung der Nanowelten ermöglicht eine erneuerbare Energieversorgung für Alle
Diese Serie erkundet die weitreichenden Folgen des Umbruchs der Naturwissenschaften am Anfang des letzten Jahrhunderts für die Energietechnik und Energieversorgung. Die Konsequenzen eines tiefgreifenden Wandels des wissenschaftlichen Weltbilds, der das Tor zu bisher unbekannten Nanowelten in der Größenordnung von Atomen aufstieß. Die ersten Folgen dieser Serie beschäftigten sich mit der Atomenergie, die ein frühes Produkt dieses Umbruchs war, um sich dann neueren Entwicklungen zuzuwenden, die bessere Optionen eröffnen, um der Klimakrise zu begegnen. Diese Folge zieht eine Zwischenbilanz und gibt einen Ausblick auf den Rest der Serie.
Die letzten beiden Posts zur Klimawissenschaft und zur Geschichte der fossilen Energien waren lang und deprimierend. Themen, die einem den Schlaf rauben können und an der Zukunft der Menschheit zweifeln lassen. Die kommenden Folgen werden erfreulichere Entwicklungen aufzeigen.
Finden wir die Kraft zur Überwindung der Klimakrise?
Unsere Serie zur Geschichte der Energietechnik startete mit den Rätseln der Elektrizität und verschiedener Arten von Strahlung, die Anfang des letzten Jahrhunderts mit der Quantentheorie zum Vordringen der Wissenschaften in die Welt der Atome und Moleküle und dann bald zur Entdeckung der Kernspaltung führten. Die nächsten Stationen waren die Atombombe, Aufstieg und Krise der Atomenergie und die neuen Messmethoden, die ein immer weiteres Vordringen von Wissenschaft und Technik in die Nanowelt ermöglichten. Dann folgte als nächste Konsequenz der Erfolge der Nanowissenschaften die schier unglaubliche Geschichte der Mikroelektronik, die mit der Informationstechnik eine Querschnittstechnologie hervorgebracht hat, die unsere gesamte Zivilisation seither grundlegend verändert. Mit Information haben ganz zentral auch die folgenden Umwälzungen in der Biologie zu tun, die die Medizin revolutionieren, aber kaum Folgen für die Energietechnik haben. Schließlich haben wir in den beiden letzten Folgen gesehen, wie die neuen Nanowissenschaften bloßgelegt haben, dass die energetische Grundlage der Industrialisierung, die Verbrennung fossiler Ablagerungen aus der geologischen Vorzeit, den Wärmehaushalt unserer Erde so empfindlich stört, dass die Erde zu immer größeren Teilen unbewohnbar zu werden droht. Und wie groß die Herausforderung ist, rechtzeitig einen anderen Weg einzuschlagen.
Wir haben als Gesellschaft und als Individuen so große Schwierigkeiten, darauf angemessen zu reagieren, dass viele in Resignation verfallen. „Dass unsere Gesellschaften noch rechtzeitig aus ihrer Lage herausfinden, ist Wunschdenken.“ befand kürzlich Jens Beckert, Direktor am angesehenen Max-Planck-Institut für Gesellschaftsfragen am Ende eines Artikels in der Zeit. Eine derartig definitive Aussage finde ich unverantwortlich und gefährlich – seine Argumentation war differenzierter. Bei der Resignation wird es nicht bleiben. Ängste, Wut, Konflikte und Aktivismus, Rufe nach dem starken Mann, falsche Versprechungen und Profitmacherei nehmen angesichts der immer deutlicher wahrgenommenen existenziellen Krise zu… Wir brauchen eine Verständigung über Alternativen.
Dimensionen der Herausforderung – unverstandene Technik
Die miteinander verwobenen Schwierigkeiten werden immer intensiver aus unterschiedlichen Perspektiven beschrieben. Man kann sie z.B. in die folgenden Punkte aufgliedern.
Wir haben es mit einer neuen Dimension von Problemen zu tun:
Die Folgen heutigen Handelns treffen erst künftige Generationen. Welche Klimaschäden wir in der Vergangenheit schon verursacht haben, wird erst langsam deutlich. Auch ein Umsteuern wirkt erst mit Verzögerung.
Die Herausforderungen sind global. Lokale Lösungsbeiträge sind wichtig, aber können allein keine Lösung bringen. Kommunikation, Innovation und Lieferketten sind weltweit vernetzt – darauf sind unsere Wahrnehmung und Politik schlecht vorbereitet.
Globale Ungerechtigkeit. Diejenigen, die historisch am wenigsten zu den heutigen Klima- und Umweltproblemen beigetragen haben, leiden darunter am meisten und haben am wenigsten Mittel, weniger schädliche Strukturen aufzubauen.
Gewachsene Strukturen stehen einer Veränderung entgegen:
Mächtige wirtschaftliche Interessen verteidigen alte Strukturen, Technologien, in Jahrzehnten gewachsene Subventionskanäle und Seilschaften. Sie säen Verunsicherung, Zweifel und Desinformation.
Komplexe und träge wirtschaftlich-politisch-rechtliche Strukturen wurden für die alten Technologien entwickelt und sind nur mit großem politischem Aufwand zu ändern. Sie behindern dringend nötige Entscheidungen, verschleppen deren Umsetzung und hemmen Lernprozesse.
Wir sind in einer verantwortungslosen Konsumkultur gefangen. Wir tun so, als ob unser heutiges materielles Konsumniveau ein Menschenrecht wäre, das die Politik garantieren muss. Und als ob der OECD-Standard für 8 Milliarden Menschen möglich wäre.
Die neuen Wissenschaften und Technologien sind weitgehend unverstanden:
Die beunruhigenden wissenschaftlichen Voraussagen sind schwer nachvollziehbar, da sie auf komplexen Modellrechnungen beruhen, sowie auf Erkenntnissen und Vorgängen, die unserer Alltagserfahrung widersprechen.
Alltägliche Technik wird nicht mehr verstanden. Die meisten Menschen haben aufgegeben, die nanowissenschaftlich basierten Technologien, von denen sie immer abhängiger werden, auch nur ansatzweise zu verstehen. Das führt zu grundlegender Verunsicherung.
Mangelndes technisches Verständnis der energiepolitischen Alternativen verunsichert, führt zu Misstrauen, zum Festhalten an gewohnten Strukturen, oder gar zum nostalgischen Wunsch nach Rückkehr zu gescheiterten Ansätzen.
Die zweite Gruppe von Schwierigkeiten, die die gesellschaftlichen Dimensionen des Problems betrifft, kann man viel weiter auffächern. Darüber wird intensiv diskutiert und das ist wichtig, denn in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung fallen die Entscheidungen über unsere Zukunft. Mit wachsender Wahrnehmung des Problems wird die Schärfe der Auseinandersetzung zunehmen.
Diese Serie beschäftigt sich vor allem mit der dritten Gruppe von Schwierigkeiten, die meiner Meinung nach sträflich unterschätzt wird – dem mangelnden Verständnis für die technisch-naturwissenschaftliche Dimension des Problems und möglicher Lösungen. Denn die Voraussetzungen der gewohnten, mehr oder weniger gut funktionierenden Aushandlungsprozesse zwischen Interessengruppen stimmen immer weniger. Ohne die neuen Bedingungen zu verstehen kann die Klimakrise nicht gelöst werden.
Die Menschheit hat die gewaltigen technischen Möglichkeiten der neuen Wissenschaften in weitgehend herkömmlichen Strukturen genutzt, ohne wirklich zu realisieren, dass sich mit der Nutzung der nanotechnischen Instrumente unsere Rolle in der Natur grundlegend ändert. Wenn wir demokratisch über die Nutzung dieser Möglichkeiten entscheiden wollen, dann müssen wir gewaltige Anstrengungen unternehmen, damit die Mehrheit auch versteht, was zur Debatte steht. Wir als Gesellschaft müssen sowohl die Gefahren des bisherigen Wegs richtig einschätzen können, als auch die sich mit den neuen Technologien auftuenden Alternativen. Ohne eine konkrete Vorstellung davon, welche Zukunft wir anstreben, werden wir die Kraft für die notwendigen Umstellungen nicht aufbringen. Denn nachdem wir zu lange gezögert haben, sind erhebliche Anstrengungen und die schnelle Abkehr von alten Gewohnheiten notwendig.
Es gibt kein Zurück
Wir haben vom Baum der Erkenntnis gegessen, aber noch nicht recht begriffen, worauf wir uns eingelassen haben. Mit dem Beginn der Industrialisierung wurde Mitte des achtzehnten Jahrhunderts in Europa das Holz knapp. Zunächst vor allem weil der Transport immer aufwändiger wurde. Die damaligen Sparmaßnahmen erinnern an die heutigen Debatten. Schon im 18. Jahrhundert hatte der Holztransport auf dem Rheinerstaunliche Ausmaße angenommen: allein das Hauptfloß der mehrgliedrigen Holländerflöße maß bis zu 400 mal 80 Meter. Dann wuchsen Industrie und Bevölkerung immer schneller: Von 1800 bis 1850 nahm die Bevölkerung in Frankreich um 25%, in Deutschland um 87%, im Vereinigten Königreich um 153% zu. Das Holz reichte nicht mehr und wurde zunehmend durch Kohle ersetzt – in der letzten Folge haben wir gesehen, wie es mit dem Einsatz der fossilen Brennstoffe weiter ging. Die Weltbevölkerung stieg von 985 Millionen im Jahr 1800 über 1,65 Milliarden im Jahr 1900 auf 7,91 Milliarden im Jahr 2021. Heute stammen immer noch 83% der verbrauchten Primärenergie aus fossilen Quellen. Für Öl und Gas, die 65% ausmachen, werden jährlich mit 5 Billionen Euro etwa 5 Prozent der weltweiten Wertschöpfung ausgegeben.
50 Jahre Klima-Warnungen haben wenig bewirkt: jetzt sind wir so weit, dass uns nicht nur auf schwerwiegende Spätfolgen der Emissionen der letzten Jahrzehnte gefasst machen müssen, sondern vor allem auch immer tiefgreifendere unumkehrbare Kippeffekte des Klimasystems riskieren, wenn wir noch mehr als das Zehnfache des heutigen Jahresverbrauchs verbrennen. Wir müssen unsere technisch-industrielle Zivilisation, die mit fossilen Brennstoffen innerhalb von zweihundert Jahren ein Anwachsen der Menschheit auf das Achtfache ermöglicht hat, in kürzester Zeit auf eine neue Grundlage stellen.
Welche Energien brauchen wir?
Die gezielte Nutzung von Feuer gilt als wesentliches Element der Menschwerdung. Für die Herstellung von Verwendung von Werkzeugen und immer aufwändigeren technischen Einrichtungen brauchten die Menschen während Jahrtausenden vor allem Brennstoffe. Wasser- und Windkraft spielten nur eine marginale Rolle. Der Übergang von Biomasse zu fossilen Energien hat daran sowohl technisch als auch als in der Wahrnehmung von Brennstoff und Feuer als zentraler Energiequelle nichts geändert. Wenn jetzt die fossilen Brennstoffe wegfallen, ist es wichtig zu überlegen, was wir eigentlich als Nutzenergie brauchen:
Wärme. Zum Heizen, zum Kochen und zur Materialverarbeitung in Industrie und Handwerk
Licht. Zum Sehen, zum Kommunizieren, für Pflanzen, für photochemische Prozesse
Mechanische Energie. Für Transport und Materialverarbeitung.
Elektrizität. Für Kommunikation, Informationsverarbeitung, Steuerung
Chemische Energie. Als Nahrung und für chemische Reaktionen (die hier beide nicht als Teil der technischen Energieversorgung betrachtet werden sollen)
Licht ist der sichtbare Ausschnitt eines viel breiteren Spektrums von elektromagnetischer Strahlung, das von Radiowellen über Infrarotstrahlung (Wärmestrahlung), sichtbares Licht und Röntgenstrahlen bis zu radioaktiven Gamma-Strahlen reicht. Mehr als diese fünf Energieformen gibt es nur in Atomkernen.
Entscheidend für die Energieversorgung ist, mit welchen Techniken und mit welcher Effizienz sich die benötigte Nutzenergie aus den verfügbaren Energiequellen herstellen lässt. Dazu sind teilweise mehrfache Umwandlungsschritte zwischen verschiedenen Energieformen nötig. So wird Elektrizität bisher meist aus mechanischer Energie gewonnen, die ihrerseits aus Wärme hergestellt wird, die durch Verbrennen aus der chemischen Energie von Brennstoffen entsteht: Drei Umwandlungsschritte mit unterschiedlichen Techniken, bei denen jeweils Verluste entstehen. Darüber hinaus ist wichtig, welche Energieformen sich gut speichern und transportieren lassen. Brennstoffe lassen sich im Gegensatz zu Elektrizität meist gut lagern. Die Energiequellen und die Umwandlungstechniken der klassischen Energieversorgung sind in der folgenden Grafik dargestellt:
Elektrizität und Mechanische Energie sind hochwertige Energieformen, die mit Wirkungsgraden nahe 100 Prozent ineinander oder in Wärme umgewandelt werden können. Die Wertigkeit von Wärme hängt vom Temperaturniveau ab. Gasturbinen können deshalb nur bis zu 60%, Braunkohlekraftwerke bis zu 45% der Ausgangsenergie in Mechanische Energie verwandeln.
Wie wir sehen werden, können neue nanowissenschaftlich basierte Technologien wesentlich direktere und effizientere Umwandlungspfade eröffnen. Eine wesentliche Rolle spielt dabei die Photovoltaik, mit der sich inzwischen mehr als 20 Prozent der Sonneneinstrahlung direkt in Strom umwandeln lassen. Das reicht aber allein noch nicht, denn Strahlung lässt sich nicht lagern und auch Elektrizität nur schlecht…
1980 sah die Welt noch ganz anders aus
Atomenergie war ein erster Versuch, die neuen Nanowissenschaften zu nutzen, um andere Energiequellen zu erschließen. Wir haben in den ersten Folgen dieser Serie gesehen, wie er scheiterte. Nach der Kernschmelze in Three Miles Island / Harrisburg 1979 wurden die Sicherheitsmaßnahmen so teuer, dass die Entwicklung stagnierte.
1980, als sich das Scheitern der Atomenergie abzeichnete, sah das Klima-Problem noch anders aus. Wäre es damals, wie von mehreren Studien vorgeschlagen, gelungen, mit Effizienztechnologien und erneuerbaren Energien den weltweiten Verbrauch an fossilen Energien zu stabilisieren, hätte man Zeit gehabt, ihn erst zwischen 2040 und 2080 langsam auf null zu reduzieren und trotzdem das (damals noch nicht so genau bekannte) Kohlenstoffbudget für das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten (siehe Folge 8).
In der folgenreichen, 1980 publizierten Studie „Energiewende“ schlugen die Autoren des Freiburger Öko-Instituts für die Bundesrepublik ein detailliertes Szenario vor, bei dem der fossile Energieverbrauch von 1980 bis 2030 auf ein Drittel gesenkt wird. Mit diesem Ansatz, so rechneten sie vor, könnte auch eine verdoppelte Weltbevölkerung auf dem damaligen Komfortniveau Westdeutschlands mit dem fossilen Weltverbrauch von 1980 auskommen.
Die Erneuerbaren waren damals noch schwach, aber wurden vor allem als Solarthermie bereits ernsthaft eingesetzt. Die Wasserkraft war zur Reife entwickelt, aber nicht überall verfügbar. Die Bioenergie wurde überschätzt. Präsident Carter hatte im Wahlkampf ein großes Programm für erneuerbare Energien und effiziente Energienutzung vorgeschlagen. Verglichen mit heute waren sie in einem noch frühen Stadium, aber sie hätten bereits intensiv genutzt und wesentlich schneller entwickelt werden können. Die Ölfirmen begannen in Photovoltaik zu investieren. Aber es kam anders. Im Januar 1981 zog mit Ronald Reagan ein Freund der Ölindustrie im Weiße Haus ein…
Fasziniert von den neuen Möglichkeiten der Digitalisierung in der Kommunikation, benebelt von real sinkenden Energiepreisen dank neuer Techniken in der Öl- und Gasproduktion, eingelullt von Verharmlosungen und Falschinformationen der fossilen Lobbys und deshalb voller Zweifel an unverstandenen Alternativen, hat die Menschheit viel Zeit vertrödelt. Jetzt wird die Zeit für den Abschied von den fossilen Energien knapp. So knapp, dass die finanziellen und sozialen Kosten für eine Umstellung des Energiesystems massiv gestiegen sind, weil viele Anlagen nicht mehr während ihrer vorgesehenen Lebensdauer verwendet werden können, weil Industrien in kurzer Zeit umstrukturiert und verlagert werden müssen, weil Arbeitnehmer und Konsumenten, Unternehmen und Behörden sich schneller umstellen müssen, als ihnen lieb ist. In kurzer Zeit muss viel gelernt und investiert werden.
In ihrer Ratlosigkeit gegenüber dieser Situation schlagen nun immer mehr Ahnungslose vor, es doch noch einmal mit der Atomkraft zu versuchen – vielleicht nicht so klotzig, dem Zeitgeist entsprechend modular und skalierbar. Es wäre doch so einfach – man ersetzt fossilen Brennstoff durch nuklearen, Diesel durch e-Fuel. Turbine bleibt Turbine und Motor bleibt Motor. Nostalgie, Sehnsucht nach Zeiten, als alles noch einfacher war. Natürlich finden sich dann alte Freunde, die der Kernkraft beruflich eng verbunden waren oder auch jüngere, die der Kitzel des potenziell explosiven atomaren Feuers reizt, schlagen Projekte vor, die alte Ansätze mit neuem Design versehen, und kassieren gerne die Fördermillionen, die verunsicherte oder an der militärischen Nutzung interessierte Politiker lockermachen. Auch Investoren setzen darauf, eines Tages mit öffentlicher Unterstützung auf diesem Wege Geld verdienen zu können. Dieser Illusion entgegenzutreten, die uns Zeit und Geld kostet, die wir nicht mehr haben, war der Anlass für diese Serie.
Die Idee, ohne Brennstoff auskommen zu müssen, verunsichert viele Menschen. Sie trauen der Idee nicht, ganz auf erneuerbare Energien, vor allem auf Sonne und Wind zu setzen. Das ist durchaus begreiflich, denn sie durchschauen die neue Logik noch nicht und der heutige Wohlstand wurde mit der alten geschaffen.
In der zweiten Hälfte dieser Serie soll es darum gehen, nachvollziehbar zu machen, wie der Aufbruch der Wissenschaften in die Nanowelten inzwischen eine Reihe neuer Technologien hervorgebracht hat, die es in ihrer Kombination tatsächlich erlauben, die Energieversorgung der Menschheit innerhalb kurzer Zeit auf eine andere, nachhaltige Grundlage zu stellen.
Vier fundamentale Innovationen ermöglichen die Abkehr vom Feuer als Grundlage der technischen Zivilisation
Die Kampagnen der fossilen Industrien und ihrer Freunde haben lange verdeckt, dass der immer breitere Zugang zur Nanowelt es nicht nur erlaubt, einzelne Technologien zu ersetzen, sondern so weit fortgeschritten ist, dass eine Generalüberholung des gesamten Energiesystems nicht nur notwendig, sondern möglich und sehr vorteilhaft ist – sogar ganz abgesehen vom Klimaproblem, das der Wende aber eine existentielle Dringlichkeit verleiht.
Deshalb ist es notwendig, nicht nur einzelne Technologien, sondern das System als Ganzes zu betrachten. Erst im Gesamtkontext einer neuen Logik wird langsam deutlich, wie sich die Eigenschaften einzelner Komponenten ergänzen können. Rückblickend bekommen Erfindungen eine neue Bedeutung. In den letzten zwanzig Jahren hat das Experimentieren mit Teilsystemen viele neue Erkenntnisse gebracht. Entwicklungsrichtungen wurden aufeinander abgestimmt, alte Techniken wieder ausgegraben und neu kombiniert. Synergien wurden entdeckt, die viel größere Einsparungen ermöglichen als ursprünglich angenommen. Mit neuen Entwicklungen verschieben sich die Akzente, aber es schält sich die Gestalt eines zukunftsfähigen Energiesystems heraus, das auf den Errungenschaften des Industriesystems aufbaut, aber die Fundamente grundlegend erneuert.
In den nächsten Folgen dieser Serie werden zunächst vier fundamentale Innovationen beschrieben, die im Zusammenspiel eine nachhaltige Energieversorgung ermöglichen können:
Photovoltaik. Damit lässt sich Strom direkt aus Sonnenlicht gewinnen. Ohne den verlustreichen Umweg über chemische Energie, Wärme und mechanische Energie.
Leistungselektronik. Damit lässt sich elektrischer Strom fast ohne Verluste fast beliebig umwandeln und digital steuern. Das revolutioniert die Erzeugung, den Transport und die Nutzung elektrischer Energie.
Neuartige Batterien. Damit lässt sich elektrischer Strom wesentlich kostengünstiger, effizienter, raum- und gewichtssparender als bisher speichern und transportieren.
LEDs und Laser. Direkte Umwandlung von elektrischem Strom in Licht. Damit werden Beleuchtung und Materialbearbeitung wesentlich effizienter. Additive Fertigung (3D-Druck) ermöglicht große Einsparungen von Material und Energie.
Nach der Darstellung dieser Innovationsfelder geht es dann um das Gesamtsystem. Und das ist vielleicht am schwierigsten zu begreifen, denn alte Gewissheiten verlieren ihre Gültigkeit. Mit den Kurzbeschreibungen wird die Entwicklungsrichtung schon deutlich: Elektrizität, die ganz am Anfang der Umwälzung des physikalischen Weltbilds im letzten Jahrhundert stand, rückt ganz ins Zentrum. Aus Elektrizität wird Wärme erzeugt, nicht umgekehrt. Das hat, wie ich erklären werde, erhebliche Effizienzgewinne im Gesamtsystem zur Folge. Von einer Abkehr vom Feuer zu sprechen, scheint nicht übertrieben. Oxydationsprozesse werden in der Materialverarbeitung und in der Elektrochemie noch eine Rolle spielen – als Wärmequelle, die alles antreibt, aber haben sie ausgedient.
Und das alles ist nicht nur eine ferne Vision. Die Technologien sind da, teilweise altbekannt und im neuen Kontext neu bewertet. Wie ich zeigen werde: Zeiten und Kosten machen einen schnellen Übergang möglich, wenn wir entschlossen vorangehen.
Technologiekompetenz
Das setzt voraus, dass wir keine weitere Zeit und Geld verplempern. Dafür ist eine rechtzeitige Priorisierung von Technologien wichtig. Dafür sollen am Ende dieser Serie einige Kriterien entwickelt werden: Welche Umwege wären vermeidbar gewesen? Woran können wir Entwicklungspotential erkennen? Was können wir im Gesamtzusammenhang des neuen Energiesystems brauchen? Lässt sich das auf andere Bereiche, wie z.B. den Verkehr übertragen?
Und ganz zum Schluss die Frage, was wer lernen muss, damit wir die Herausforderungen bewältigen können. Einerseits geht es um Qualifikationen und Fachkräfte auf allen Ebenen, die den schnellen Umbau bewerkstelligen können. Andererseits geht es weltweit um die Kompetenz aller Menschen, in ihrer jeweiligen Rolle als Konsumenten, Arbeitende und Bürger die Bedeutung und die Konsequenzen dieses Umbruchs zu verstehen. Das bedeutet auch, die historische und die technische Dimension dieser Zeitenwende zumindest ansatzweise zu begreifen. Vorbilder, Prioritäten, Gewohnheiten, Geschäftsmodelle und Machtstrukturen werden sich ändern müssen – überall. Wer schneller lernt, wird im Vorteil sein. Und der Wechsel der primären Energiequellen wird international die Gewichte verschieben.