Dank Nanowissenschaften: Strom direkt aus Sonnenlicht wird unschlagbar günstig
Geschichte der Energietechnik (10) – Die Entdeckung der Nanowelten ermöglicht eine erneuerbare Energieversorgung für Alle
Wir stehen vor der Notwendigkeit, fossile Brennstoffe als Grundlage unserer industriellen Zivilisation in wenigen Jahren zu ersetzen. Das erfordert einem tiefgreifenden Umbau unserer Energiesysteme. Photovoltaik als die inzwischen günstigste Art der Stromerzeugung wird dabei eine ganz zentrale Rolle spielen. Sie ist eine der jüngeren Früchte eines tiefgreifenden Wandels des wissenschaftlichen Weltbilds, der das Tor zu bisher unbekannten Nanowelten in der Größenordnung von Atomen aufstieß.
Sonnenstrahlung, die neben dem für uns sichtbaren Lichtspektrum auch ultraviolette und infrarote Strahlung umfasst, liefert fast alle Energie, die wir brauchen – nur Atomenergie und Geothermie sind anderen Ursprungs. Sonnenstrahlen haben vielfältige Wirkungen:
Sonnenstrahlung lässt Pflanzen wachsen, die sie in chemische Energie umsetzen. Das hat seit Menschengedenken Nahrung, Brennholz und Tierfutter geliefert. Vor Jahrmillionen sind über lange Zeiträume große Ablagerungen aus Pflanzenresten entstanden, die die Menschen seit gut zweihundert Jahren als Kohle, Erdöl und Erdgas fördern und verbrennen – und damit die Atmosphäre und das Klima gefährlich verändern.
Sonnenstrahlung erwärmt die Körper auf die sie trifft. Sie erwärmt die Erdoberfläche, lässt Wasser verdunsten und treibt damit das Wetter an – Windenergie und Wasserkraft stammen damit auch von der Sonne. Die Strahlung der Sonne wird seit jeher auch direkt genutzt: Zum Trocknen, zum Bleichen, zum Sonnenbaden. Beim Bauen wurden Öffnungen so ausgerichtet, dass die Sonnenwärme je nach Bedarf hereingelassen oder ausgesperrt wurde.
Mit Spiegeln und Linsen lassen sich Sonnenstrahlen konzentrieren, so dass hohe Temperaturen erzeugt werden können. Schon in der Antike sollen Griechen Spiegel benutzt haben, um römische Kriegsschiffe in Brand zu stecken.
Seit es Glas gibt, baut man Gewächshäuser und ähnliche Wärmefallen, bei denen Sonnenstrahlen durch Glas eindringen, längerwellige Wärmestrahlen aber nicht austreten können, so dass sich der Raum hinter Glas gegenüber der Umgebungsluft deutlich erwärmt. Auf diesem Prinzip beruht auch die moderne Solarthermie – ob nun Passivhäuser, bei denen die Fenster als Falle für die Sonnenstrahlen dienen, oder aktive Solarkollektoren, bei denen eine Flüssigkeit erhitzt wird, das die Wärme dann abtransportiert.
In Sonnenkollektoren zur Wärmeerzeugung setzt man zudem schwarze Oberflächen ein, die Sonnenstrahlung besser absorbieren können, als helle, die einen Teil der Strahlung reflektieren.
Was hinter diesen Phänomenen steht, war lange allerdings noch nicht erklärbar. Und noch mehr Rätsel kamen im 19. Jahrhundert dazu. Erst mit Hilfe der Quantentheorie, die zwischen 1900 und 1930 entwickelt wurde, gelang es, genauer zu beschreiben, was passiert, wenn Strahlung auf Materie trifft. Und zwar auf der Nano-Ebene von Atomen und Molekülen, wo andere Gesetze gelten, als in unserer alltäglichen Makro-Welt. Diese Theorien erlaubten dann den Durchbruch zu einer direkten Umwandlung von Sonnenlicht in Elektrizität, der sogenannten “Photo-Voltaik” - ohne Umwege und mit hoher Effizienz. Doch der Reihe nach.
Halbleiterforscher entdecken aussichtsreiche Methode
Ganz am Anfang der Entwicklung der Photovoltaik steht Alexandre Edmond Becquerel, der 1839 entdeckte dass die Beleuchtung von Metallelektroden in leitenden Flüssigkeiten Ladungsträger freisetzen konnte. 1876 zeigte dann William Grylls Adams, dass man mit Lichtbestrahlung von Selen tatsächlich Elektrizität erzeugen kann. 1883 baute Charles Fritts ein erstes photovoltaisches Modul aus Selenzellen. Praktisch zu gebrauchen war es wegen seines geringen Wirkungsgrades allerdings nicht.
Da solche Phänomene für die damalige Physik nicht erklärbar waren, machte sich eine Reihe von Wissenschaftlern daran, die schwachen und öfters auch angezweifelten Effekte näher zu untersuchen. Schließlich stellte Albert Einstein, um den von Becquerel zuerst entdeckten äußeren Photoeffekt zu erklären, 1905 die Lichtquanten-Hypothese auf, für die er den Nobel-Preis bekam. Sie besagt, dass Licht aus diskreten Energiepaketen, den Quanten, besteht. In der Folge entwickelte er die spezielle Relativitätstheorie, die unter anderem die Äquivalenz von Masse und Energie postuliert. Schon Max Planck hatte zur Erklärung von Phänomenen der Wärmestrahlung im Jahr 1900 vermutet, dass diese in Quanten portioniert ist – für Licht mochte er das aber zunächst nicht akzeptieren. Es brauchte noch viele Zweifel, Diskussionen und Experimente, bis sich in den zwanziger Jahren die Ansicht durchsetzte, dass Strahlung sowohl als Welle (Energie) als auch als Teilchen (Materie) beschrieben werden kann, was sich in unserer alltäglichen Erfahrung ja ausschließt. Mit dem Wellen-Modell konnte man erklären, wie sich Lichtstrahlen in einer Linse brechen und damit fokussieren lassen. Mit dem Teilchen-Modell konnte man erklären, wie ein Lichtquant, auch Photon genannt, aus einer Atomhülle ein Elektron herausschlägt und damit elektrische Energie freisetzt. Mit der mathematischen Formulierung der Quantentheorie wurde zwischen 1926 und 1928 eine überzeugende Darstellung der Wechselwirkung zwischen Energie und Materie gefunden, die zur Grundlage der neuen Materialwissenschaften wurde. Sie ist nicht anschaulich, aber liefert funktionierende Erklärungen (siehe Folge 1 dieser Serie).
Angesichts von einer Energieausbeute der Selenzellen von weniger als einem Prozent des eingestrahlten Sonnenlichts beschränkte sich deren technische Nutzung noch viele Jahrzehnte auf Messinstrumente wie Belichtungsmesser für die Photographie. 1940 entdeckte Russell S. Ohl, der seit den zwanziger Jahren in den Bell Laboratories mit Silizium für Dioden experimentierte, ganz zufällig, dass der Übergang zwischen unterschiedlich dotierten (d.h. mit Fremdatomen versetzten) Siliziumkristallen bei Lichteinstrahlung Elektrizität erzeugte - wesentlich effizienter als Selen. Genaugenommen handelte es sich dabei nicht um exakt denselben Effekt, den seinerzeit Becquerel entdeckt hatte: dort hatten die Lichtquanten Elektronen aus einer Metalloberfläche herausgeschlagen, hier spielte sich der Prozess zwischen verschiedenen Halbleiterschichten ab.
Erst 1950 konnte William B. Shockley, der 1947 den Transistor miterfunden hatte (siehe Folge 5), eine (quanten-)theoretische Beschreibung der Vorgänge bei der Bestrahlung von Silizium-Grenzschichten liefern. Die für die Herstellung von Transistoren entwickelte Technik, hochreine Silizium-Kristalle herzustellen und flächig zu dotieren, brachte dann den Durchbruch.
1954 konnten Chapin, Fuller und Pearson von den Bell Laboratories der Öffentlichkeit eine zwei Quadratzentimeter große Silizium-Zelle mit einem Wirkungsgrad von 6% vorstellen. Das tönt vielleicht nach wenig, aber war bereits wesentlich effizienter als die Energieausbeute der pflanzlichen Photosynthese (siehe Folge 6). Aus der Sonneneinstrahlung auf einer gegebenen Fläche konnte die erste Silizium-Zelle fünf-bis zehnmal mehr elektrische Energie gewinnen als eine Pflanze in Brennstoff (chemische Energie) umsetzen kann. Damit war, zwei Jahre nach der ersten Stromerzeugung mit Atomenergie, die Photovoltaik als ernstzunehmende Stromquelle geboren.
Politik und Ölpreise bremsen die Photovoltaik immer wieder aus
Doch die Photovoltaik blieb zunächst noch extrem teuer. Denn für das Auffangen von Sonnenlicht brauchte es ausreichende Silizium-Flächen, und das mit gleichbleibender Qualität. Ab 1958 wurden amerikanische Raumfahrt-Satelliten damit ausgerüstet. PV-Zellen erwiesen sich als langlebige, verlässliche Energiequelle. Die Raumfahrt entwickelte sich zu einem Geschäftsfeld, von dem eine kleine Photovoltaik-Industrie leben und die Technik weiter entwickeln konnte.
Aber an einer Entwicklung der Photovoltaik auf der Erde hatte die einflussreiche Atomindustrie kein Interesse: Am Anfang der Ölkrise 1973 legte der Präsident der amerikanischen Atomenergiekommission im Auftrag von Präsident Nixon einen großangelegten Bericht zur Energiezukunft der USA vor. Darin empfahl er ein fünfjähriges Energieforschungsbudget, in dem für Kernenergie 4 Milliarden, für Fusionsenergie 1,5 Milliarden und für die im Aktionsprogramm gar nicht erwähnte Photovoltaik lediglich 36 Millionen vorgesehen waren. Das stand in eklatantem Widerspruch zum internen Vorschlag der National Science Foundation, die dem Bericht zugearbeitet hatte und schätzte, dass bei einer Forschungsförderung in der Höhe von 250 Millionen die Photovoltaik bis zum Jahr 1990 konkurrenzfähig werden, und anschließend mit steilen Wachstumsraten bis zum Jahr 2000 über sieben Prozent der amerikanischen Stromproduktion liefern könnte.
Erst Mitte der siebziger Jahre wurde mehr Photovoltaik-Leistung für terrestrische Anwendungen als in der Raumfahrt eingesetzt, nachdem es gelungen war, die Kosten deutlich zu senken. Das gelang unter anderem, indem Silizium-Abfälle aus der Halbleiter-Elektronik als Ausgangsmaterial verwendet wurden. Den Anfang machte Funktechnik in entlegenen Gegenden. Dann fingen alle größeren Ölgesellschaften an, ihre unbemannten Ölplattformen mit photovoltaischen Systemen auszustatten. Bojen und entlegene Leuchttürme für die Schifffahrt wurden damit ausgerüstet.
Unter dem Eindruck der ersten Ölkrise hatten Japan und Deutschland 1974 und 1977 spezielle Programme zur Förderung der Photovoltaik-Forschung gestartet. Ab 1977 setzte der neugewählte Präsident Carter im Gegensatz zu seinem Vorgänger auf entschlossene Forschungsförderung, sowie eine gezielte Entwicklung von wachsenden Nischen-Märkten. Mit steigenden Produktionsvolumen ging es zunächst schnell voran.
Im Herbst 1980 hatte ich die Gelegenheit, ausführlich von der dritten Europäischen Photovoltaik-Konferenz in Cannes zu berichten: Paul Maycock vom amerikanischen Energieministerium unter Präsident Carter sagte schon für 1986 Preise von 5 bis 9 US-Cent pro Kilowattstunde Sonnenstrom vom eigenen Hausdach voraus. Die europäischen Teilnehmer waren nicht so optimistisch, aber auch sie rechneten damit, dass es Anfang der neunziger Jahre so weit sein könne. Vor allem Ölfirmen hatten in die Photovoltaik investiert und drohten, die Elektrizitätswirtschaft mit einer neuartigen, dezentralen Stromquelle zu bedrängen, die deren Geschäftsmodell in Frage gestellt hätte. 1980 war das Öl knapp, der Ölpreis hatte sich, kaum erholt von der ersten Ölkrise 1973, noch einmal vervierfacht und erreichte mit 40$ pro Barrel (141$ in heutigen Preisen) einen Spitzenwert (siehe Folge 8).
So schnell ging es dann mit der Photovoltaik aber doch nicht, man war zu optimistisch gewesen. Die zwei aufeinanderfolgenden Ölpreisschocks führten einerseits zu einer weltweiten Rezession und andererseits zu einer sparsameren Verwendung von Energie. In den USA fiel die Energieintensität der Volkswirtschaft (Energieverbrauch pro Einheit Bruttoinlandsprodukt) zwischen 1980 und 1990 um 21%. Das hatte zur Folge, dass Ölpreise und Ölproduktion absackten und die Ölkonzerne das Interesse an der Photovoltaik verloren. Zusätzlich sorgten ab den Neunzigern neue Bohrtechnologien für die Erschließung von Vorkommen, die vorher nicht erreichbar waren (siehe Folge 8) – das verscheuchte die Sorgen der Ölindustrie vor einem Ende des Ölzeitalters. Der Ölpreis stieg erst nach 2000 wieder an.
Auch der politische Wind drehte, als 1981 Ronald Reagan die US-Präsidentschaft übernahm. Er stutze die öffentliche Förderung für Erneuerbare drastisch zurück. Umweltbelange rutschten in der politischen Agenda nach hinten, nachdem noch unter Carter der umfassende Bericht „Global 2000“ weltweit Aufsehen erregt hatte.
Bei der Photovoltaik ging die Kostensenkung trotzdem weiter – zwischen 1980 und 1990 sank der Preis auf etwa ein Viertel. 1982 wurde in Kalifornien die erste 1-MW-Anlage in Betrieb genommen. In den Neunzigern stiegen dann wieder mehr Firmen in die Entwicklung ein. 1994 verkündete Japan ein 70‘000-Dächer-Programm und führte international die PV-aktivitäten an. 1993 bis 2001 übernahmen in den USA Bill Clinton und sein Vize Al Gore die Präsidentschaft und engagierten sich wieder für die Photovoltaik. 1997 starteten die USA ein eine-Million-Dächer-Programm.
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1998 kam in Deutschland die erste rot-grüne Koalition an die Regierung – vor allem das grüne Umweltministerium machte sich gegen erhebliche Widerstände für die erneuerbaren Energien stark. Das im Jahr 2000 verabschiedete Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) löste die Entwicklung eines schnell wachsenden Absatzmarktes für Photovoltaik aus: für die Einspeisung von Solarstrom ins Netz gab es eine garantierte Einspeisevergütung (Feed-in-tariff) – ein Modell, das später in vielen Ländern übernommen wurde. Ende 2000 waren weltweit ca. 1500 MWp (Megawatt peak, die Leistung bei maximaler Sonneneinstrahlung) installiert, 12% davon in Europa. Zehn Jahre später (2010) waren es 27-mal mehr und Europa hatte einen Anteil von 74% - auf Deutschland entfielen alleine 45% der weltweit installierten Kapazität. 2011 wurden in Deutschland fast 8000 Megawatt Photovoltaikleistung (MWp) neu installiert. Dieser Wert wurde bis heute nicht wieder erreicht, denn das Wachstum des deutschen Solar-Marktes wurde politisch abgewürgt. Zwischen 2011 und 2014 gingen 107‘000 Arbeitsplätze in der deutschen Solarbranche verloren. Was war passiert?
Die Elektrizitätswirtschaft schlägt zurück
Wegen der unerwartet starken Preisreduktionen zeichnete sich ab 2010 ab, dass Photovoltaik bald in einigen Marktsegmenten konkurrenzfähig werden und die hergebrachten Marktstrukturen in Frage stellen würde.
Anfang 2012 wurde in Deutschland für Privatleute selbsterzeugter Strom günstiger als Strom aus dem Netz. Die Photovoltaik-Stromproduktion privater Investoren begann am Absatz der etablierten Stromversorger zu nagen: 2012 waren in Deutschland fast achtzig Prozent der Photovoltaikleistung auf Dächern installiert. In der EU war der Anteil nur wenig geringer. Die installierte PV-Leistung wuchs zwischen 2007 und 2010 mit beeindruckenden jährlichen Wachstumsraten: 54% in Deutschland, 68% in Europa und 50% weltweit. Im gleichen Zeitraum sank der Preis von Solarmodulen um jährlich 21%. Das begann die großen Stromversorger ernsthaft zu beunruhigen. Und was noch schlimmer war als die sinkenden Marktanteile: der ehemals knappe und teure Strom während der Verbrauchsspitzen um die Mittagszeit verlor durch die solare Einspeisung an Wert. Die Aktienkurse der größten Stromversorger halbierten sich (2009-2011: RWE -60%, EON -43%).
Unter massivem Druck der Elektrizitätswirtschaft und unter Hinweis auf die steigenden Umlagen für den Einspeisetarif bremsten konservative Regierungen in den wichtigsten Märkten Europas innerhalb von kurzer Zeit die Photovoltaik durch eine Reihe neuer Regeln aus. Die Einspeisetarife wurden in schneller Folge abgesenkt. Der Markt kollabierte in Deutschland auf 15% des Volumens von 2011, in Italien auf unter 3%, in Europa auf 31%.
Dabei wäre ein anhaltendes PV-Wachstum bei auskömmlicher Vergütung für die Verbraucher auch kurzfristig vorteilhaft gewesen: Zwischen 2011 und 2018 überstieg die Absenkung des Strompreises durch die Einspeisung von Wind- und Solarstrom die Kosten der Umlage um 45%.
Der Aufstieg Chinas
Es gab noch einen zweiten Grund für das Abwürgen der westlichen Photovoltaik-Märkte: Chinesische Produzenten hatten begonnen, den Markt für PV-Module zu erobern und die alteingesessenen westlichen Industrien, die die Anlagen für das herkömmliche System lieferten, zeigten kaum Interesse, sich für die neuartige Technologie zu engagieren.
Mitte der 1980er Jahre installierte man in China die zwei ersten kleinen Produktionslinien für Solarzellen. Nach der UNO-Konferenz zur nachhaltigen Entwicklung in Rio 1992 forderte die offizielle ”Agenda für das China des 21. Jahrhunderts” Priorität für erneuerbare Energien in der staatlichen Entwicklungsstrategie. Im Jahr 2001 waren in China mit 24 MW gerade einmal gut 1% der weltweiten Photovoltaikleistung installiert, und es wurden 5 MW produziert. Außer für Spezialanwendungen in entlegenen Gebieten war Photovoltaik für China zu teuer. Aber dann nutzte China insbesondere den stark wachsenden deutschen Markt für den Aufbau einer eigenen PV-Industrie, lernte schnell und fuhr die Produktion von Zellen und Modulen mit Wachstumsraten von über 100% hoch.
2007 überholte China Japan und Deutschland und produzierte erstmals mehr als 1000 MWp Zellen und Module, die zu mehr als 98% exportiert wurden. Im Heimatmarkt war man sehr zurückhaltend: damals waren erst 100 MW installiert und ein Strategiepapier der Staatlichen Planungskommission sah für 2020 nur 1800 MWp installierte Leistung vor. 2010 wurden über 12‘000 MWp produziert und immer noch zu 96% exportiert – doch angesichts der gesunkenen Preise und der Diskussionen in Europa bereitete man sich darauf vor, den eigenen Markt zu entwickeln. Ab 2009 wurden die Installationen im eigenen Land jedes Jahr mehr als verdoppelt. 2011 wurde ein Einspeisetarif eingeführt. 2014 war mit 28 Gigawatt siebzigmal so viel Leistung installiert wie fünf Jahre zuvor. Trotzdem wurde noch weit mehr als die Hälfte der Produktion exportiert.
Im Jahr 2020 standen 36% der weltweiten Photovoltaikinstallationen in China und die 2007 gesetzte Zielmarke für dieses Jahr wurde um das 140-fache übertroffen.
Heute liegt der weltweite Marktanteil Chinas in allen Wertschöpfungsstufen der Herstellung von PV-Modulen bei 80%. Seit 2011 hat China zehnmal mehr als Europa in die PV-Produktion investiert. Lange hat Europa die Maschinen dafür geliefert. Inzwischen sind auch die zehn größten Hersteller von Produktionsequipment chinesisch. Photovoltaikexporte sind mit einem jährlichen Volumen von über 30 Milliarden Dollar für China zu einem wichtigen Exportprodukt geworden. Chinesische Investitionen in die PV-Produktion sind inzwischen auch in Nachbarländern wie Vietnam oder Malaysia zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor geworden.
Nach 40 Jahren Kostenreduktion billiger als alle anderen Energiequellen
Diese massive Ausweitung der Produktion und ein intensiver innerchinesischer Wettbewerb haben geholfen, die Kosten immer weiter zu senken: Innerhalb von vierzig Jahren fielen die Preise der photovoltaischen Module um mehr als 99%. Von 2010 bis 2021 um über 88%.
Damit ist Photovoltaik zur günstigsten Technologie für die Gewinnung von Strom geworden. Das sagen jetzt auch Institutionen, die der Photovoltaik bisher recht skeptisch gegenüberstanden. Mit durchschnittlich 17% pro Jahr seit 2010 sind die Kosten des erzeugten Stroms nicht ganz so schnell gefallen wie die Modulkosten. Das liegt daran, dass ein Photovoltaik-Kraftwerk nicht nur aus Modulen besteht, sondern auch aus anderen Komponenten, deren Preis wesentlich langsamer sinkt. Insbesondere bei kleineren Anlagen sind die übrigen Investitionskosten inzwischen höher als die Modulkosten.
Die global aktive Investmentbank Lazard liefert jährlich den meistzitierten Vergleich der Stromgestehungskosten mit verschiedenen Technologien. Mit 13 bis 20 US-Cent pro Kilowattstunde kommt laut Lazard der Strom aus neuen Atomkraftwerken wesentlich teurer als aus Photovoltaik-Kraftwerken mit 2,8 bis 4,1 US-Cent. Sogar für bereits bestehende und abbezahlte Kernkraftwerke rechnet Lazard mit 2,9 ¢/kWh.
Auch andere erneuerbare Stromerzeugungstechnologien lässt die Photovoltaik mit dieser Kostendynamik hinter sich. Zwischen 2010 und 2021 sanken die mittleren Stromkosten aus Photovoltaik um 88%, bei Offshore Wind waren es 58%, bei Onshore Wind 67%.
Wie geht es weiter?
Nachdem sie zur anerkannt günstigsten Technik der Stromerzeugung geworden ist, scheint es unvermeidbar, dass die Photovoltaik eine zentrale Rolle in der künftigen globalen Energieversorgung spielen wird. Wie die Integration dieser stark fluktuierenden Stromquelle in ein umfassendes Versorgungssystem allerdings aussehen kann, wird uns erst die Betrachtung des Gesamtsystems vor dem Hintergrund anderer energietechnischer Innovationen zeigen.
Zunächst jedoch möchte ich in der nächsten Folge dieser Serie die Potentiale und Konsequenzen der Photovoltaik genauer ausloten. Da stellt sich einerseits die Frage, ob die Kostensenkung immer so weitergehen kann. Und andererseits, ob die Photovoltaik anderen Techniken der erneuerbaren Stromerzeugung, die weniger schnell gewachsen sind, tatsächlich überlegen ist - ökonomisch und im Hinblick auf ein nachhaltiges Energiesystem. Und schließlich ist interessant, ob und wie eine stärkere Rolle der Photovoltaik Machtverhältnisse zwischen Industrien, Institutionen und Ländern verschieben kann. Zu diesen Fragen kann die Geschichte der Photovoltaik wichtige Hinweise geben. Dazu wird es auch notwendig sein, die Technologien etwas genauer anzusehen.