Warum die Photovoltaik unschlagbar günstig wird
Weniger die Massenproduktion als vielmehr nanowissenschaftliche Innovationen machen die Photovoltaik immer billiger, wie die Computerchips. PV wird zur dominierenden Energiequelle.
Soll Europa Milliarden investieren und eine eigene Photovoltaik-Industrie aufbauen? Seit ihrer Erfindung gleichzeitig mit dem Transistor wird die Photovoltaik unterschätzt. Jetzt ist sie dabei, die kostengünstigste und wichtigste Stromquelle zu werden. Mit zunehmender Elektrifizierung wird sie zur wichtigsten Energiequelle überhaupt. Warum wird Photovoltaik immer billiger? Warum dominiert China den weltweiten PV-Markt? Muss Europa umdenken?
Seit mehr als vierzig Jahren wird die Photovoltaik unterschätzt oder bekämpft:
1982, als das Öl wieder billig wurde, stoppten US-Präsident Reagan und die Ölkonzerne alle Photovoltaikprogramme. Zuvor hatten die fossilen Konzerne, aufgeschreckt durch die Ölkrise, beträchtliche Summen in die neue Technik gesteckt, die bis dahin nur in der Raumfahrt genutzt wurde. Präsident Carters Ministeriale schwärmten noch 1981 von „in zehn Jahren Strom vom eigenen Dach“.
2000 schaffte die rot-grüne Bundesregierung in Deutschland mit der durch eine Umlage auf die Stromkunden finanzierte Einspeisegarantie für Solaranlagen die Voraussetzung für private PV-Investitionen. Von den Stromkonzernen als Spielerei unterschätzt, schaffte diese Regelung innerhalb weniger Jahre den weltweit größten PV-Markt.
2008 machte die 1974 zur Stabilisierung der Ölversorgung gegründete Internationale Energie-Agentur IEA erstmals explizite Voraussagen für die Photovoltaik und schätzte, dass deren Beitrag zur weltweiten Stromerzeugung 2030 deutlich unter einem Prozent liegen werde. Damals beschloss China, in großem Stil in die PV-Produktion einzusteigen und machte den dominierenden europäischen Herstellern zunehmend Konkurrenz.
2010 waren 74% der weitweiten PV-Stromerzeugungs-Kapazitäten in Europa installiert. Es wurde absehbar, dass bald ein selbsttragendes Wachstum der Photovoltaik einsetzen würde. Dann aber würgten die konservativen Regierungen in Europa auf Drängen der konventionellen Stromerzeuger das Wachstum ab: zwischen 2011 und 2014 gingen in der deutschen Solarindustrie 110.000 Arbeitsplätze verloren.
Noch 2013 lagen die IEA-Voraussagen für den PV-Beitrag zur weltweiten Stromerzeugung zwischen nur 1,7 und 4,3% für das Jahr 2035.
Heute, zehn Jahre später, muss die IEA feststellen, dass 2022 schon 4,4% erreicht wurden und allein aufgrund beschlossener Politiken für das Jahr 2030 15% und für 2050 32% zu erwarten sind. In ihrem ambitioniertesten Szenario rechnet sie für 2050 mit 41% – bei einem zweieinhalbfachen Stromverbrauch gegenüber heute.
Dieser Artikel gehört zu meiner Rubrik SPOTLIGHT. Eine ausführlichere Darstellung der Geschichte der Energietechnik findet sich in meiner Rubrik THE BROADER PICTURE
China hat heute auf allen Produktionsstufen für Solarmodule einen Anteil an der weltweiten Produktion von 70 bis über 90 Prozent – davon wird die Hälfte im eigenen Land installiert. Dieses Jahr wird China voraussichtlich doppelt so viel Photovoltaik installieren, wie im letzten Jahr. Letztes Jahr installierte es viereinhalb mal so viel wie die USA. Bis Ende 2026 dürfte sich die installierte Leistung auf 1000 GW verdoppeln – das entspricht im sonnenreichen China der Stromproduktion von 400 der größten dort zuletzt gebauten Atomkraftwerken (1200 MW).
Anhaltende Kostendegression seit Jahrzehnten
Im weltweiten Durchschnitt konnte die Photovoltaik ihre Kosten nicht nur schneller senken als alle anderen Energiequellen, jetzt hat sie es auch tatsächlich geschafft, pro erzeugte Kilowattstunde billiger zu werden als alle anderen. Sogar der Strom aus abgeschriebenen Kernkraftwerken ist inzwischen teurer. Das sagen nicht nur langjährige Befürworter der Solarenergie, sondern auch die maßgeblichen internationalen Finanzinstitutionen. Der am weitesten verbreitete LCOE-Vergleich der Investmentbank Lazard gibt sogar an, dass Strom aus abgeschriebenen Kernkraftwerken 30% teurer ist als Strom aus großen PV-Kraftwerken.
Seit fünfzig Jahren kann die Photovoltaik eine eindrucksvolle Kostenkurve vorweisen: Mit jeder Verdoppelung des Produktionsvolumens sank der Preis um rund zwanzig Prozent. Damit schlägt sie alle anderen Energiequellen.
Kostensenkungen bei konventionellen Produkten können mehrere Gründe haben. Das sind bei herkömmlichen Produkten vor allem Massenproduktion und bessere Maschinen, Designänderungen und billigere Vorprodukte. Bei reifen Produkten sind diese Möglichkeiten nach einer Weile erschöpft.
In meinem letzten Spotlight habe ich dargestellt, wie vier fundamentale Innovationen die Energiewende vorantreiben, die auf den seltsamen Gesetzen der Welt der Atome und Moleküle beruhen. Erst nachdem die Physik vor hundert Jahren mit der Quantentheorie den Weg zum Verständnis dieser Nanowelten erschloss, konnte seit dem zweiten Weltkrieg ein Technikbereich nach dem anderen in diese Welten vordringen. Am vertrautesten, aber immer noch unheimlich, ist uns die Welt der Computer, die erst aufgrund der Halbleiterphysik möglich wurde und Kostenentwicklungen aufweist, die bis dahin unvorstellbar waren. Die Photovoltaik ist die erste dieser vier für die Energiewende entscheidenden Innovationen. Auch ihre physikalischen und ökonomischen Eigenschaften sind ohne die Nanowissenschaften nicht vorstellbar. Das möchte ich hier etwas näher erläutern.
Vor allem nanowissenschaftlicher Fortschritt hat die Kostenreduktion bewirkt – wie bei den Mikrochips
Gemeinhin wird behauptet, die Kostensenkungen in der Photovoltaik seien auf die Massenproduktion von Solarpaneelen zurückzuführen, die zuerst die USA, dann Japan, dann Deutschland und schließlich China mit beträchtlichen Anstrengungen vorangetrieben haben. Auch die ungewöhnlich steile und seit fünf Jahrzehnten stetig absinkende Kostenkurve sei halt die Lernkurve der industriellen Massenproduktion, die mit der Zeit deutlich abflachen werde. Schaut man genauer hin, dann ist das weniger als die halbe Wahrheit.
Natürlich hat es viel ausgemacht, dass immer größere Stückzahlen in immer größeren Fabriken mit immer besseren Maschinen und immer erfahreneren Belegschaften gebaut werden konnten. Im Allgemeinen geht man davon aus, dass industrielle Skaleneffekte ab 3000 Stück besonders stark einsetzen — also weit jenseits der Seriengrößen von Kohlekraftwerken, Atomkraftwerken und bisher auch von Windkraftwerken. Aber es ist zweifelhaft ob die neuesten Fabriken in China, die Kapazitäten von bis 20 GWp Jahresproduktion haben, tatsächlich effizienter sind als kleinere Fabriken. Gunter Erfurt, CEO von Meyer Burger — dem einzigen ernstzunehmenden Hersteller von Zellen und Modulen in Europa und bis vor wenigen Jahren Weltmarktführer für PV-Produktionsanlagen — hält dagegen: “Es ist eine romantische Vorstellung, dass vor allem Fabrikgröße mit Kostensenkung korreliert ist”. Ein Massenhersteller von Zellen und Modulen sei mit 2 GWp pro Jahr (ca. 300 Mio Zellen bzw. 5 Mio Solarpaneele) bereits ausskaliert. Bei der PV war etwas anderes wichtiger: es waren vor allem die nanowissenschaftlichen Innovationen, die die Kostensenkung beschleunigt haben — ganz ähnlich wie in der Mikroelektronik.
Das kann man nachrechnen: Zum Beispiel für die Entwicklung ab 2010, seit chinesische Firmen mit immer größeren Stückzahlen massiv in die Produktion eingestiegen sind: Von 2010 bis 2021 sanken die Kosten von Photovoltaik-Modulen auf ihre Leistung bezogen um 90%, und die Kosten solar erzeugten Stroms (in Freiflächen-Kraftwerken) um 88%. Im gleichen Zeitraum stieg der Wirkungsgrad — der angibt welcher Anteil der Sonnenstrahlung in Strom umgewandelt wird — für gute kommerzielle Module von etwa 15% auf etwa 22%. Zudem konnte die Leistungsminderung bei erhöhten Modultemperaturen gesenkt werden (durch die Sonneneinstrahlung liegt die Betriebstemperatur je nach Klima weit über der Standardtemperatur für die Effizienzmessung). Zusammen ergibt sich daraus eine Modulkosten-Senkung von 35% — ganz einfach dadurch, dass die erforderliche Modulfläche für eine bestimmte Leistung kleiner wird. Außerdem haben die Nanowissenschaften erheblich dazu beigetragen, dass für eine bestimmte Leistung wesentlich weniger hochreines Silizium (Polysilicon) benötigt wird (- 68%) und zudem der Kilopreis dieses in aufwändigen Prozessen gewonnenen Materials drastisch (- 82%) gesenkt werden konnte. Unter Berücksichtigung des Kostenanteils von Silizium am Modul (2021: 28%) ergibt sich damit insgesamt einen Beitrag der Nanowissenschaften zur Kostensenkung der Modulkosten von wesentlich mehr als der Hälfte.
Will man den Effekt der Nanowissenschaften auf den Strompreis abschätzen, dann muss man nach Ländern unterscheiden – nicht nur wegen des Temperatureffekts. Vielerorts sind die PV-Kraftwerkskosten vor allem politisch bedingt noch unnötig hoch. So kostet ein Solarkraftwerk der gleichen Leistung in Japan 2,9 mal so viel wie in Indien, während es in Deutschland nur 1,2 mal so viel kostet.
Mit der Fläche der Solarmodule sinken bei Solarkraftwerken auch die Kosten für die Gestelle, die Grundstücke, die Installation, die Verkabelung usw.. In Deutschland sind insgesamt drei Viertel der Kosten direkt von der für eine bestimmte Leistung notwendigen Modulfläche abhängig. Zudem sind auch die Wechselrichter (Kostenanteil 7,5%) dank Fortschritten in der Leistungselektronik zwischen 2010 und 2021 um 56% billiger geworden. Damit ist auch bei den Stromerzeugungskosten gut die Hälfte der Kostenreduktion auf nanowissenschaftlichen Fortschritt zurückzuführen.
Das eigentliche Kraftwerk ist bei der Photovoltaik eine ungefährliche, mikrometerdünne Schicht, die Sonnenlicht zwanzigmal besser in brauchbare Energie umsetzt als ein Baum. Alles andere ist nur Anschluss & Verpackung.
Was zunächst nach kleinlicher Schwärmerei für die Bedeutung der Nanowissenschaften aussieht, ist für die Beurteilung der Entwicklungspotentiale von Energietechnologien von grundlegender Bedeutung. Denn dieser Befund hat mehrere Folgen:
Die Kostenreduktion geht weiter, denn neue nanowissenschaftliche Erkenntnisse versprechen weiterhin stark steigende Wirkungsgrade.
Die Photovoltaik wird voraussichtlich zur dominanten Energiequelle, denn sie schlägt alle anderen Energiequellen, die weit größere Anteile herkömmlicher, nicht billiger werdender Technologien enthalten.
Europa hat Chancen, wieder in die Photovoltaikproduktion einzusteigen, denn europäische Institute und Unternehmen gehören nach wie vor zur technologischen Spitze.
Die weltwirtschaftlichen Gewichte verschieben sich – darauf werde ich erst in einem späteren Spotlight eingehen.
Photovoltaik wird zur dominierenden Energiequelle
In fast allen weitgehend auf Nanowissenschaften beruhenden Technologien sehen wir, dass die Lernkurven um ein Vielfaches steiler sind als diejenigen konventioneller Makrotechnologien, und dass wir meist erst ganz am Anfang stehen. In der Photovoltaik sind die nächsten Schritte schon absehbar: Neue Materialien (vor allem Perovskite) und neue Zellkonstruktionen (vor allem Multijunction, d.h. mehrere empfindliche Schichten übereinander) werden die Effizienzen in den nächsten Jahren weiter steigern und die Materialkosten senken. Zudem sind auch bei den konventionellen Komponenten noch Einsparungen in Sicht, wenn die mikrometerdünne stromerzeugende Schicht, anstatt sie in ein eigenes Gehäuse aus Glas zu verpacken, direkt in Strukturelemente von Gebäuden (Dachhaut, Fenster, Fassaden) oder Fahrzeugen integriert wird.
Alle anderen heute diskutierten nicht-fossilen Energiequellen sind demgegenüber im Nachteil:
Bei der Windenergie — der zweiten großen Hoffnung für eine nachhaltige Stromerzeugung — besteht der nanotechnischen Anteil im Wesentlichen aus der Leistungselektronik: sie ermöglichte steigende Effizienzen durch variable Drehzahlen und weitgehend verlustlose Einspeisung in die Netze. Auch eine Gewichtsreduktion der Generatoren durch stärkere Permanentmagnete kann man dazurechnen. Darüber hinaus aber wurden Kostensenkungen vor allem durch immer höhere Türme und größere Turbinen ermöglicht. Das hatte nicht nur deutlich geringere Kostensenkungen als bei der PV zur Folge, sondern birgt auch zusätzliche Kostenrisiken: Windkraftwerke brauchen anderthalbmal so viel Stahl und fünfmal so viel Zement wie Freiflächen-PV-Kraftwerke (PV-Dachanlagen brauchen noch wesentlich weniger Material). Beide Materialien sind CO2-intensiv und werden absehbar deutlich teurer. Offshore-Kraftwerke sind noch materialintensiver. Die aktuell massiven Probleme der Offshore-Windindustrie sind – neben steigender Zinskosten – auf steigende Materialkosten sowie mechanische Probleme durch eine forcierte Erhöhung der Flügellänge zurückzuführen. Einige Beobachter vermuten, dass Windenergie nicht mehr billiger wird.
Die Gewinnung von Energie aus Biomasse nutzt die Sonnenstrahlung zwanzigmal schlechter aus als Photovoltaik. Für einen anschaulichen Vergleich muss man mit Systemen argumentieren: Vergleicht man einen Holzschnitzelkessel mit einer solar betriebenen Wärmepumpe, dann kommt zur besseren Sonnennutzung mit PV noch der Gewinn an Umweltwärme durch die Wärmepumpe hinzu. Deshalb wird jetzt nur noch Rest- und Abfallholz für die Hackschnitzel zugelassen. Vergleicht man einen biokraftstoff-getriebenes Verbrennerauto mit einem solarstrom-getriebenen Elektroauto, dann kommt zum Effizienznachteil noch der schlechte Wirkungsgrad des Motors hinzu. Die Zahlen sind erschreckend: Auf der Fläche, auf der heute in Deutschland Mais und Raps für einen kleinen Teil der vorgeschriebenen Biokraftstoff-Beimischung zu Benzin und Diesel angebaut wird, könnte mit Photovoltaik der gesamte heutige Strombedarf Deutschlands erzeugt werden.
Atomkraftwerke waren die erste Hoffnung auf eine energietechnische Umsetzung der neuen physikalischen Erkenntnisse. Aber der eigentliche Energiegewinnungsprozess aus der Spaltung von selten vorkommenden schweren Atomen braucht so aufwändige Zusatzeinrichtungen, dass die Sache teuer wurde: Erstens muss das spaltbare Uran im Gegensatz zur Sonnenstrahlung in landschaftszerstörendem Bergbau mit leicht strahlendem Abraum gewonnen und in aufwändigen Prozessen angereichert werden. Dann entstehen im Reaktor hochgefährliche radioaktive Materialien, die schon im Reaktor und schließlich für Tausende von Jahren beim entstehenden Abfall mit riesigen und teuren Vorrichtungen aus Blei, Stahl und Beton gesichert und abgeschirmt werden müssen. Drittens hat man es mit einer potentiell explosiven Kettenreaktion zu tun, die angesichts der Gefährlichkeit der Materialien mit vielfachen Sicherheitsvorkehrungen unter Kontrolle gehalten werden muss. Und Viertens dient das Ganze nur dazu, heißen Dampf zu erzeugen, der in einer konventionellen Turbine, die technisch ausgereift ist und nicht mehr billiger wird, mit einem Wirkungsgrad von unter 50% in Strom umgewandelt wird.
Die Wasserkraft beruht auf konventionellen, mechanischen und hydraulischen Technologien, die nicht mehr billiger werden, sondern angesichts des erheblichen Materialaufwands eher teurer werden dürften. Sie hat wegen ihrer Speicherfähigkeit eine wichtige Rolle im Energiesystem zu spielen, aber ist nur bei spezifischen geographischen Gegebenheiten verfügbar und zunehmend von Klimaveränderungen bedroht.
Dass durchaus auch neue Energiequellen aufkommen können, zeigen zwei Beispiele: Vor allem die Geothermie kann mit neuen erkundungs- und Bohrtechniken der Ölindustrie, die durch die Nanowissenschaften ermöglicht wurden, relativ kostengünstig die Erdwärme anzapfen und für Heizzwecke einsetzen. Der Einsatz ist jedoch geographisch begrenzt. Interessante Entwicklungen scheinen sich durch die neuen Möglichkeiten der Leistungselektronik bei der Nutzung der Wellenenergie abzuzeichnen.
Das schnellere Vorankommen der Photovoltaik liegt auch daran, dass die Innovationszyklen kurz sind: Produktionsanlagen (außer der ersten Stufe für hochreines Silizium) können in weniger als zwei Jahren gebaut werden, technische Planung und Bau von PV-Kraftwerken brauchen noch deutlich weniger. Damit lassen sich — bei entsprechendem politischen Willen — nicht nur hohe Wachstumsraten erreichen, sondern auch Verbesserungen schneller umsetzen als bei allen konkurrierenden Technologien.
Allerdings ist Strom von der Sonne nicht überall gleich billig und steht vor allem nicht immer zur Verfügung. Um das auszugleichen, braucht es eine tiefgreifendere Umstellung des Energiesystems. Dabei können andere fundamentale nanowissenschaftlich begründete Innovationen helfen, wie die Leistungselektronik, die Speichertechnik (Batterien etc., auch Wasserstofftechnik) und die halbleiterbasiere Umwandlung von Strom in Strahlung (LEDs, Laser etc.). Damit daraus schnell genug ein neues, flexibles, effizientes System entsteht, das einer weiteren Klimaerhitzung vorbeugt, ist es dringend notwendig, die über zweihundert Jahre mit den alten Technologien gewachsenen Rahmenbedingungen zu ändern.
Vor dem Hintergrund dieser Dynamiken kann es kaum Zweifel geben, dass die Photovoltaik zur dominierenden Energiequelle wird — für die gesamte Energieversorgung auf der ganzen Welt. Je nach lokalen Gegebenheiten mag sie durch Wind, Geothermie oder Biomasse ergänzt werden — aber ihre lokale Verfügbarkeit und die Transportierbarkeit neuer Energieträger werden die neue Energie-Geographie bestimmen.
Das setzt allerdings voraus, dass eine ernsthafte Klimapolitik verfolgt und rational entschieden wird. Das ist noch nicht gesichert: Die großen Ölkonzerne haben in den letzten Jahren riesige Gewinne gemacht, investieren nur einen Bruchteil davon in Erneuerbare Energien und planen eine weitere Ausweitung der fossilen Produktion. Gleichzeitig werden fossile Energien nach wie vor massiv subventioniert: Nach Angaben des Internationalen Währungsfonds 2022 mit über sieben Prozent des weltweiten Bruttosozialprodukts.
Die Abhängigkeit von China bei der Photovoltaik ist kein unumkehrbares Schicksal
Wenn mehr als die Hälfte der Kostensenkung der PV auf nanotechnische Innovationen zurückzuführen ist, dann hat Europa ernsthafte Chancen, wieder eine Rolle auf dem Weltmarkt für Photovoltaik-Anlagen zu spielen und unabhängiger zu werden. Nachdem Europa, und vor allem Deutschland, nach der Jahrtausendwende mehrere hundert Milliarden in die Entwicklung der Photovoltaik-Märkte gesteckt hat – bezahlt über Umlagen vor allem der kleinen Stromkunden – hat seither China durch vielfache versteckte Subventionen die Entwicklung angeschoben und eine mächtige Photovoltaik-Industrie aufgebaut. Die wichtigsten Innovationen allerdings kamen bisher aus Europa, wo nach wie vor einige der bedeutendsten solaren Forschungsinstitute und Maschinenhersteller arbeiten. Noch ist Europa technologisch nicht abgehängt – auch wenn chinesische Hersteller inzwischen ihre Produktionsmaschinen nicht mehr in Europa kaufen, sondern weitgehend selbst herstellen.
Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass die europäischen Regierungen und die EU-Kommission langsam aufwachen. Wenn vier Fünftel der Solarmodule und sogar 98% der dafür benötigten Wafer aus China kommen, dann ist das eine Abhängigkeit, die auch politisch gefährlich werden kann.
Woran es bisher fehlt, sind allerdings große Firmen, die schnell eine große Produktion hochziehen können. Nachdem Bosch zwischen 2008 und 2013 mit dem gescheiterten Einstieg in die Solartechnik mehrere Milliarden verloren hatte, wagte sich kein europäischer Konzern mehr ernsthaft an das Thema heran. Das bekam ich schmerzlich zu spüren als ich 2013 bis 2015 erfolglos die xGWp-Initiative der größten europäischen Solarforschungsinstitute und des größten Herstellers von PV-Produktionsanlagen für eine große europäische Solarfabrik koordinierte. Das ist dabei sich zu ändern: die immer noch zu zögerliche finanzielle Hilfe der EU führt zu einer Reihe von Projekten. Die drei wichtigsten haben Wurzeln in der damaligen Initiative: der Anlagen-Hersteller Meyer-Burger ist zum größten europäischen PV-Produzenten geworden, der italienische Energieversorger ENEL betreibt eine wachsende Zell- und Modulproduktion in Catania, und die Neugründung Holosolis, hinter der kompetente europäische Mittelständler stehen, will – wie von Präsident Macron persönlich angekündigt – in Frankreich eine 5-GW-Fabrik bauen.
Die gegenwärtige PV-Produktionskapazitäten in Europa entlang der Wertschöpfungskette betragen: 23 GW beim hochgereinigten Silizium (Polysilicon), 1,7 GW bei Ingots und Wafern, 1,4 GW bei den Zellen, 9,4 GW bei den Modulen und 70 GW bei den Wechselrichtern – angesichts von voraussichtlich 58 GW neuen PV-Installationen dieses Jahr und der nach wie vor vorhandenen Technologieführerschaft ist das erbärmlich. Ohne Milliardeninvestitionen großer Firmen und ohne ein stärkeres Engagement öffentlicher Gelder wird es kaum möglich sein, die von der EU für 2030 angestrebte Quote von 40% in Europa hergestellten Produkten auf dem europäischen Solarmarkt zu erreichen. China und jetzt auch die USA wenden erhebliche öffentliche Mittel für die Förderung des Sektors auf. Das ist im Hinblick auf die Klimakrise sehr zu begrüßen. Ohne stärkere Anstrengungen bleibt Europa nicht nur mit seinem Beitrag zur Lösung des drängendsten Menschheitsproblems zurück, sondern verpasst auch eine industrielle Chance und – nach den verheerenden Folgen der Abhängigkeit von russischem Gas – die Gelegenheit, seine Versorgungssicherheit zu stärken.
Korrektur am 20.11.2023: 1000 GW PV in China entspricht 145 1200-MW-Kernkraftwerken (nicht 400).